Krüger unter der Lupe der Anklage


Pikante Details belasten vor Gericht auf der Karibik-Insel Grand Cayman den Immobilien-Pleitier Peter Krüger. Ankläger James Turner und Richter Peter Jackson nehmen sich Zeit, um Krügers verschlungene Geschäfte Schritt für Schritt zu durchleuchten. Der Prozess könnte sich verzögern.

Rund 100 Seiten zusätzlicher Dokumente hat der Berner Untersuchungsrichter Hermann Fleischhackl auf die Cayman-Inseln gefaxt. Hier aber wartete der Ankläger im Fall Krüger, Staatsanwalt James Turner, bis gestern immer noch auf die Originale. Diese werden vom Richter verlangt. Turner zeigt sich zuversichtlich, dass die Unterlagen heute Freitag eintreffen werden.

Grosse Bedeutung haben jene Dokumente, die Krügers Unterschrift tragen. So zum Beispiel eine Liste seines Privatbesitzes aus dem Jahr 1992. Jean-Pierre Herzog, damals Finanzchef von Krügers Firmengruppe, stellte diese Liste in Krügers Auftrag zusammen, um die Banken von einem Moratorium zu überzeugen, was auch tatsächlich gelang. Laut Auskunft der Firma Revisuisse Price Waterhouse, die mit den Banken verhandelte, stützte sich die Liste auf die Angaben von Peter Krüger selber. Daher musste dieser mit seiner Unterschrift die Richtigkeit der Zahlen und Fakten bestätigen, was er am 27. Oktober 1992 auch tat.

Verräterische Liste

Auf dieser Liste gibt Krüger vor, noch immer Besitzer der Liegenschaft in Môtier im Kanton Freiburg zu sein – er nannte einen Marktwert von 5,1 Millionen Franken. Aus dem Grundbuch von Môtier geht jedoch hervor, dass Krüger diesen Besitz bereits Anfang 1992 an seine Frau Barbara überschrieben hat. Auch dafür präsentierte die Anklage dem Gericht ein Dokument, das die Unterschriften von Peter und Barbara Krüger trägt.

«Peter Krüger ging systematisch vor, um Zeit zu gewinnen und seine katastrophale Finanzlage zu vertuschen», erklärte Staatsanwalt James Turner. «Gegenüber den Banken musste er ausreichend Sicherheiten nachweisen können, um weiterhin als kreditwürdig zu erscheinen.» Das gleiche Spiel trieb Krüger auch mit der Residenz in St-Tropez, Frankreich, aber auch mit Liegenschaften und Beteiligungen an Firmen in den USA, die ihm zwar früher einmal gehört hatten, inzwischen aber längst wieder verkauft oder belastet worden waren.Sehr belastend ist für Krüger die Aussage des Bieler Unternehmers André Laager. Laager klagt gegen Krüger wegen Diebstahls und Veruntreuung von rund 13 Millionen Franken. Die beiden waren seit 1970 miteinander bekannt und verkehrten auch privat miteinander. Krüger ist der Pate von Laagers jüngster Tochter. Bis 1987 sei alles gut gegangen, sagte Laager aus. Damals habe ihm Krüger vorgeschlagen, in ein grösseres Projekt in Calgary, Kanada, zu investieren. Krüger selber wollte 60 Prozent übernehmen, Laager 40 Prozent, was für ihn einen Betrag von 13,6 Millionen Franken ausmachte.

Konto unter anderem Namen

1988 kam das Geschäft zustande. Krüger eröffnete auf der Amro-Bank das Nummern-Konto «330-Tamina», wollte aber «zur Sicherheit» nicht persönlich Kontoinhaber sein. Dies bezeugte schriftlich ein Angestellter, der damals bei der Amro-Bank das Konto für Krüger eröffnet hatte. Krüger und Laager brachten bald darauf 13,6 Millionen Franken in bar – in einem Koffer. Ein Jahr danach berichtete Krüger seinem Investor, das Geschäft in Kanada habe leider nicht geklappt. Er werde jetzt in Florida und auf den Cayman-Inseln investieren. Als Laager 1990 auf den ersten Zinszahlungen bestand, erhielt er zwei Schecks über insgesamt 690 000 Franken. «Bezeichnenderweise», sagte Staatsanwalt Turner, kamen diese Schecks bereits von den Cayman-Inseln – und zwar von der örtlichen Filiale des Bankvereins.

Seither hat Laager von seinem Geld nichts mehr gesehen. 1991 hatte er nach eigenen Angaben die Geduld und das Vertrauen in Krüger verloren und wollte aussteigen. Krüger versprach, Laagers «Anteil am Projekt» zu übernehmen und ihm das investierte Kapital samt Zinsen zurückzuzahlen. Dies wurde 1992 in einem Vertrag festgehalten, der von Krüger unterzeichnet wurde und als Beweisdokument vorliegt. Aber auch viel kleinere Deliktsummen werden Krüger zur Last gelegt; auch sie könnten dazu beitragen, ihn an die Schweiz auszuliefern. «Theoretisch würde ein Diebstahl von zwei Dollar reichen», sagte Staatsanwalt Turner. Und es würde sogar reichen, Krüger ein einziges Delikt nachzuweisen, um ihn ausliefern zu können.

Um Krügers Geschäftspraktiken weiter zu erhellen, erläuterte Turner den «Verkauf» des Mercedes 380 SL: Dieses Auto war im Besitz von Krügers Firmengruppe. Eines Tages, es war im Oktober 1992, wies Krüger seinen Finanzchef Herzog an, den Wagen auf einen Geschäftsfreund zu überschreiben, als «Abgeltung für dessen Dienste im Auftrag der Firma». Dies geht aus Herzogs Zeugenaussage hervor. Herzog habe Krüger daraufhin gesagt, dass besagter Geschäftsfreund gar kein Guthaben bei der Firma besitze. Trotzdem wollte es Krüger so – «er war schliesslich der Boss», sagte Herzog. Seither wurde der Geschäftsfreund in den Büchern unter den Debitoren geführt, weil er der Firma nie etwas für den Mercedes bezahlt hatte. Später erst wurde dem Finanzchef offenbar klar, dass der Geschäftsfreund in den USA für Krüger gearbeitet hatte – aber für Krüger privat. Er hatte geeignete Liegenschaften gesucht und Krügers Geld, das er aus seiner Firma abzog, in den USA investiert.

In diesem Stil ging es weiter. Das ganze Ausmass der Delikte, die Krüger vorgeworfen werden, setzt sich aus lauter Einzelheiten zusammen. Die Anklage benötigte bisher fast drei Tage, um dem Gericht die vorhandene Beweiskette darzulegen. Erst gestern Donnerstag brachte der Staatsanwalt überhaupt die neusten Dokumente, die aus der Schweiz per Fax geliefert wurden, zur Sprache. Dass das Gericht noch heute Freitag abend zu einem Urteil kommen wird, scheint jedenfalls zunehmend unwahrscheinlich.


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